Es war im Sommer, als ich nach langem Studieren anfing durchs Land zu ziehen, daſs ich die wahrhafte Art der Zauberei auf Erden erfuhr. Oft hatte ich davor von Zauber und Wunder geleſen - in der Hiſtorie wie auch in der Poeſie - doch dachte ich immer, daſs dieſe Berichte wohl alle erfunden, vorgetäuſcht, oder wahrhaftig aber auch nur ſo ſelten ſeien, wie die monumentalen Geſchehen unſerer Welt, von denen unſereiner nur ſo wenige erleben darf. Auch hatte ich einſtweil gedacht, daſs vielleicht Zauber und der Wandel der Welt Hand in Hand gingen; doch auch wenn dieſe Vorſtellung zu ihrer Zeit vernünftig geklungen hätte, erfuhr ich an dieſem einen Sommerabend, wie viel anders es um der Magie tatſächlich ſteht.
Der Henker, der am ſpäten leicht windigen Nachmittag, an dem ich in der Stadt ankahm, ſeinem Handwerk nachging - wie ich es erfahren ſollte, ein Zauberer - hatte zur Vergnügung des daſigen Fürſten und der Zuſchauermenge einen bemerkenſwerten Galgen errichtet. Vor mir ſtand ein Geflächt aus Holz und Bolzen, welches mehrere Ruten über die Menge hinaufragte; weit oben hingen rauhe ochſengroße Felsbrocken in einem aus flockigem Seil gestrickten Netz, und auf dem ſtaubigen Boden lag die Schlaufe. Obgleich einige die Struktur ſchon zu kennen ſchien, ließ die Bewunderung, die Ehrfurcht die der Henker zweifellos verfolgte, und die es dem Fürsten wert machte solch Material zur Verfügung zu stellen, alle verstummen.
Es war als ob der Henker in der sich auftuenden Dämmerung durch sein Werk die Atemſeele der Menge zu sich riſs. Und schon fand ich es wunderlich, daſs ſich ein Henker noch des lebendigen Geistes seiner Zuschauer bedienen sollte.
Als der Schatten der Welt sich uns langsam näherte, als dem Verurteilten schon der Strick ums Hals gelegt wurde, vernahm ich einen leichten Schauer. Wie von meinem Zucken gerührt tritt der Henker zurück, und fragte ob der Verurteilte noch einen letzten Wunsch hätte. Unheimlich streckte sich der Abend über sein Haupt - ich drehte mich zurück, und die Sonne war gerade gedämmert, und da hörte den Mann flehen, er wolle doch noch eine Abenddämmerung erleben dürfen. Als ich wieder zum Galgen blickte, und mancher in der Menge schimpfte oder kicherte, sah ich den Henker traurig lächeln, und leicht nicken; sodann zog er an einem Stück Seil, und als die Felsenbrocken herunterkrachte flog der Mann hoch.
Wild würgte er für einen Augenblick, bis er in die Ferne schaute und seine Miene verwundert erstarrte. Und als ich in seinen Augen blickte, sah ich das feuerrote Licht des Sonnenuntergangs. Eine Illusion hätte genügt um den Sterbenden staunen zu lassen; doch dass das Licht in meinen Augen auch hinenschien ließ keinen Zweifel stehen. Ihm wurde eine zweite Dämmerung gekönnt, und es war kein Trug oder Wahnsinn, es war wahrhaftig, es war Zauber.
Als der Mann nach wenig Zeit nur noch schlaff hing, war das Licht in seinen Augen wieder erlischt. Hätte er noch Atem gefunden, um zu verkünden was er gesehen hatte, hätte es ihm wohl keiner geglaubt; leichte Erklärungen hätten die Menschen zu finden vermocht: das Fegefeuer, die Tollsucht des Sterbenden… Und so wird wohl vielerlei Zauber abgetan, der schamlos doch ohne Spektakel vorgeht. Viele sind wohl oft an der Magie vorbeigelaufen, und selten findet sich einer der über ihre echte bescheidene Natur in aller Ehrfurcht und Ehrlichkeit berichtet.
A n m e r k u n g : gesammelt 18xx